Inspiriert durch die traditionsreichen Kaffeehäuser Südosteuropas, die als Wiege der modernen (Zivil-)Gesellschaft auf dem Balkan gelten, wird im partizipativen Format des Kafana Lab die Vision einer strikt feministischen, antirassistischen und antikapitalistischen Gesellschaft entwickelt.
Im Kafana Lab gehen die Denk- und Handlungsimpulse von denjenigen aus, die in der Gesellschaft unsichtbar und stumm gemacht werden: Roma* und Sinti*, ehemalige Vertrags- und Gastarbeiter*innen und ihre Nachkommen, Nicht-Erwerbstätige, queere und geflüchtete Menschen.
In der ersten Ausgabe des Kafana Lab liest die Künstlerin, Dichterin und Philosophin Jelena Savić aus ihren Gedichten über Rassismus und Armut sowie über Wege aus der Machtlosigkeit als Romni und Feministin. Sie stellt ihre Arbeit zur Institution der Kafana und zur emotionalen Kraft der Romanes-Lieder der Folksängerin Vida Pavlović (1945 – 2015) vor und lädt im Anschluss das Publikum dazu ein, eigene Erfahrungen und Ideen zu teilen. Begleitet wird sie dabei von der Sängerin Matilda Leko, die Musik von Vida Pavlović live interpretieren wird.
In den Kafanas – deren Name sich vom persischen kahva für„Kaffee“ und hane für„Haus“ ableitet – wurden vor 150 Jahren in Südosteuropa Berufsverbände gegründet, Versammlungen der ersten politischen Parteien abgehalten, Theaterstücke und Presseartikel verfasst, Bälle und Feste organisiert. Bei Kaffee, Alkohol, Tabak-Rauch und Live-Musik entstanden das öffentliche Leben und damit die gesellschaftliche Moderne Südosteuropas – die, wie überall in Europa, auf Nationalismus, Rassismus, Sexismus und Klassismus aufgebaut wurde. Kafanas waren eben auch Orte, an denen Roma-Musiker*innen zur Unterhaltung der Anwesenden kopfüber aufgehängt wurden, um zu spielen. An denen es normal war, Frauen ungefragt anzufassen und zu küssen. Wie Jelena Savić in ihrem Essay „Drunken Whites“ feststellt, waren Kafanas Orte, an denen sich vor allem weiße Männer berauschten – durch Alkohol und ihre Macht, über andere zu verfügen.
Das Kafana Lab greift die gemeinschaftliche, unvermittelte Form der Kafana auf, füllt sie hingegen aber mit neuen, antirassistischen, feministischen und intersektionalen Inhalten aus der Perspektive der Marginalisierten dieser Gesellschaft. Bei persönlichen Begegnungen, inspiriert durch künstlerische Gastbeiträge, entsteht ein respektvoller, wertschätzender Raum für Austausch über persönliche Erfahrungen der Unterdrückung. Ein Raum zur Verarbeitung eigener Traumata und zur Heilung. Ein Raum zur Entwicklung von Resilienz und Widerstandsstrategien – und zur Gestaltung einer kollektiven Zukunft in einer neuen Gesellschaft.
Die Veranstaltung findet auf Englisch statt.
Mitwirkende:
Jelena Savić ist eine Roma-Feministin und Aktivistin aus Belgrad, Serbien, die sich seit 20 Jahren für Feminismus und Aktivismus für Rechte von Roma* einsetzt. In ihrer Masterthesis in Philosophie (Central European University, Budapest, Ungarn) befasst sie sich mit der Entmenschlichung an der Schnittstelle von Sexismus, Rassismus und Speziesismus. Ihr akademischer Schwerpunkt liegt auf der Erforschung des Weißseins in Europa, und sie entwickelt derzeit Konzepte über die europäische Gadjo-Vorherrschaft, Gadjo-Privilegien und Gadjo-Ignoranz. Ihre Arbeit „E, Laute Bašalen taj Roven: Roma Voices of Sorrow“ ist Vida Pavlović (1945 – 2015) gewidmet, eine der am meisten veröffentlichten Künstlerinnen unter den großen Namen in der Geschichte der Roma-Volksmusik in Serbien. Jelena ist Bloggerin und Dichterin und veröffentlicht Gedichte in ihrem Blog sowie in verschiedenen Zeitschriften und Anthologien.
Matilda Leko ist Sängerin, Komponistin, Gesangs- und Klavierlehrerin. Sie ist mit Rhythmen des Balkans und der Musik der Roma* aufgewachsen. Die gebürtige Wienerin mit serbischen und Roma-Wurzeln begann schon früh in ihrem Leben mit verschiedenen Musikrichtungen zu experimentieren: von den Klängen ihrer Heimat über Pop, Rock, Soul bis hin zum Jazz. Sie studierte Jazzgesang in Wien und war eine der ersten Sängerinnen in Wien, die Balkanmusik mit Jazz verschmolz. Ihre Musik ist authentisch, grenzüberschreitend und nicht auf ein Genre oder eine Richtung beschränkt. Ihre Kompositionen sind dezent mit ethnischen Motiven akzentuiert, sie fordern und unterstreichen ihre ungewöhnlichen und kreativen Improvisationen. Nach vielen Bühnenauftritten, den kleinen und den großen, in Clubs, Festivals europaweit, Theaterauftritten und fast 20 Jahren Unterrichtserfahrung konzentriert sie sich aktuell hauptsächlich auf den Unterricht.