Die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und RomaTrial e.V. trauern um Zilli Schmidt. Sie ist heute im Alter von 98 Jahren von uns gegangen. Wir drücken ihrer Familie, insbesondere Jani und Renate Franz, unser tiefstes Beileid aus.
Zilli Schmidt ging nicht unerwartet und dennoch ist ihr Tod zutiefst schmerzhaft. Nicht nur als eine der letzten Überlebenden des Völkermords an den Sinti und Roma Europas hinterlässt sie eine tiefe Lücke.
Zilli Schmidt, geborene Reichmann, wird 1924 in Thüringen geboren und wächst in einer – wie sie stets betonte – glücklichen Familie von Instrumentenhändlern und Wanderkinobetreibern auf. Auch wirtschaftlich geht es ihnen gut. Im Juni 1942 wird Zilli Schmidt im elsässischen Straßburg festgenommen und in das Konzentrationslager Lety in Böhmen überstellt. Sie flieht, wird erneut verhaftet und im März 1943 in das »Zigeunerfamilienlager« in Auschwitz-Birkenau deportiert. In den folgenden Monaten trifft ihre gesamte Familie dort ein. Durch Diebstahl von Lebensmitteln, Kleidung und Medikamenten sowie Kontakte zu Funktionshäftlingen gelingt es Zilli Schmidt, ihre Angehörigen am Leben zu halten. Doch in der Nacht des 2. August 1944 ermordet die SS ihre vierjährige Tochter Gretel, die Eltern, die Schwester mit fünf Kindern und weitere Verwandte in Gaskammern. Am selben Tag war Zilli Schmidt zur Zwangsarbeit nach Ravensbrück verschleppt worden. Auch aus diesem Lager flieht sie. Nach Kriegsende findet sie nur ihre beiden Brüder wieder. Jahrzehntelang kämpft sie um eine »Entschädigung« durch die bundesdeutschen Behörden. Erst in den 2010er Jahren beginnt sie, außerhalb ihrer Familie über ihr Leben zu sprechen: »Unsere Menschen sollen nicht vergessen werden! Ich will, dass die Welt erfährt, was mit den Sinti passiert ist. Ich will, dass sie wissen, wie das ist, weiterzumachen, wenn man alles verloren hat, was einem lieb war.«
Das war die Richtschnur ihres Handelns: Aufklärung, Mitgefühl, Wärme, gespeist von einem hellen Geist, einem unverwechselbaren Lachen, einer einmaligen Stimme. Und zugleich waren da Trauma und Trauer ob des Verlustes, des Schmerzes, der Gewalt, die ihre Augen gesehen hatten. Trotz Albträumen und Depressionen hatte Zilli Schmidt es sich zu ihrer – späten – Lebensaufgabe gemacht, die Erinnerung an ihre ermordeten Menschen aufrechtzuerhalten. Zilli Schmidt war bis zuletzt eine Steh-auf-Frau. Am 2. August 2018, dem Internationalen Gedenktag an den Völkermord an den Sinti und Roma Europas, sprach sie am Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma Europas. Viel Herzblut legte sie in das Buch ihrer Erinnerungen. Vor allem dieses beeindruckende Zeitzeugnis einer damals über 95-Jährigen, einer Sintezza, einer Überlebenden, eines Menschen mit dem Herzen auf dem rechten Fleck ist ihr Vermächtnis.
Darüber hinaus setzte sie sich lautstark gegen Rassismus und Ungerechtigkeit ein. Ihr Mut, ihre Stärke und ihr Wille zu Kämpfen, ihre Bereitschaft andere zu unterstützen und nicht zuletzt ihr Humor machen sie zu einem unvergesslichen Vorbild. Ihre Warnung vor dem erstarkenden Rechtsextremismus hallt nach. »Ich kämpfe, bis ich meine Augen zumache und bei meinem Herren bin«, wiederholte Zilli Schmidt immer wieder. Möge Gott gut auf Zilli aufpassen. Wir behalten sie in liebevoller Erinnerung – voller Stolz, sie kennengelernt und in den letzten Jahren ihres Lebens begleitet haben zu dürfen.
Liebste Zilli, Du lebst in unseren Herzen und Gedanken für immer weiter. Wir werden Deine Lebensbotschaft weitertragen und die Erinnerung an Dich wach halten. Mögest Du in Frieden ruhen. Mer dikhamen.
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