Stellungnahme zum Film Nellys Abenteuer: Bad publicity is good publicity?
Als wir durch eine Bekannte die Möglichkeit bekamen, bei der Entstehung des Films „Nellys Abenteuer“ mitzuwirken, haben wir uns als ein Verein, der oft künstlerische Mittel zur Bekämpfung von Antiziganismus verwendet, natürlich gefreut. Zumal die Produktionsfirma INDI Film mit solchen Filmen wie „Neukölln Unlimited“ ihren sensiblen Ansatz und den Einsatz für Gerechtigkeit in der Gesellschaft nachgewiesen hatte.
Darüber hinaus wurde uns in den ersten Gesprächen die Möglichkeit in Aussicht gestellt, sowohl das Drehbuch auf antiziganistische Stereotype zu überprüfen, als auch beim Casting und den Dreharbeiten in Rumänien beratend mitzuwirken. Zu guter Letzt wurde seitens der Firma INDI Film die Absicht erklärt, ein gemeinsames crossmediales edukatives Projekt mit Filmdokumentationen über verschiedene erfolgreiche Roma und Sinti in Europa auf die Beine zu stellen, das die im Film gezeigten Perspektiven erweitern und ergänzen sollte.
Nichts davon wurde von INDI Film umgesetzt. Aus der Sicht unseres Vereins lief die Zusammenarbeit solange gut, wie uns die Produktionsfirma INDI Film für ihre Zwecke benötigte. Mit einem Letter of Intend seitens unseres Vereins RomaTrial e.V. für die Förderer, zwei Castings, die RomaTrial für INDI Film organisierte, und einigen ergebnislosen Treffen hatte sich der Rahmen der Zusammenarbeit leider erschöpft. Bedauerlich finden wir auch die Erfahrung mit Farbfilm Verleih, die uns die Mitwirkung an dem Erstellen von begleitenden Bildungsmaterialien versprochen hatten. Den ersten Schritt sollte ein Text für das Presseheft darstellen, mit dessen Korrekturen seitens der Verleihfirma wir nicht einverstanden waren. Dies hinderte die Firma jedoch nicht daran, die Auszüge, die als passend empfunden wurden, ohne unser Einverständnis und unser Wissen dennoch zu verwenden – ausgerechnet in den Bildungsunterlagen zum Film, die uns nicht mal zu Kenntnis zugesendet wurden.
Unsere Einwände dem Film gegenüber haben wir bereits in der nicht verwendeten Überschrift unseres damaligen Textes klar zum Ausdruck gebracht: „Wird man dadurch gut, wenn man den Bösen beklaut?“ Im Film selbst ebenso wie in unserer Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma sowie dem Verleih wird klar, wer am längeren Hebel sitzt, bzw. wer die Deutungshoheit über das Thema hat. Der Handlungsbogen des Filmes sowie die Heldenreise der Kinderprotagonisten sind gut gemeint. Der Film lässt jedoch den gesellschaftlichen Kontext des allgegenwärtigen Antiziganismus außer Acht. Mit unserer Zuarbeit zum ergänzenden Dokumentarmaterial haben wir versucht diesen Kontext zu berücksichtigen. Entstanden ist ein vorurteilsbelasteter Film, dem nichts entgegengesetzt wurde. Zur Not kann man sich natürlich immer auf die künstlerische Freiheit berufen. Und klar kann auch diese Art „bad publicity“ zu wichtigen Auseinandersetzungen führen. Uns wäre allerdings wichtiger, dass die kommenden Generationen nicht mehr mit solchen stereotypen „Zigeunerbildern“ aufwachsen müssen.
Es mag sein, dass der Film in anderen Ländern, vor allem im Osten Europas, eine andere Wahrnehmung erfährt und sogar Wertschätzung genießt. Wir finden, Deutschland hat dem Thema gegenüber zu Recht eine besondere Verpflichtung, eigentlich sogar jede und jeder Einzelne und nicht nur die Selbstorganisationen von Sinti und Roma.
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