Berlin, 13.08.2021

Sehr geehrter Herr Straßmeir, sehr geehrter Herr Dr. Biesinger,

wir, die Arbeitsgemeinschaft Berliner Roma, sind entsetzt über die Art und Weise der Medienberichterstattung und den Umgang des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten mit den Geflüchteten aus der Republik Moldau. Anstatt den Menschen ein faires Verfahren zuzusichern, was auch klar gesetzlich vorgegeben ist, wendet sich ein Amt an die Medien mit internen und kulturalisierenden Vermutungen, die rassistisch Stimmung schüren.

Die Menschen, um die es geht, wurden insbesondere in der RBB-Abendschau vom 04.08.2021 als kriminell, unzivilisiert und „eigentlich“ nicht schutzwürdig dargestellt. Dabei machen die Schutzsuchenden von einem Recht Gebrauch, das es ihnen ermöglicht, einen Asylantrag und entsprechende Folgeanträge zu stellen, deren Überprüfung noch aussteht. Es handelt sich hierbei um klar festgelegte Verfahrensvorgaben und Verpflichtungen, die aus unserer Sicht ein Amt sachlich und fachlich umzusetzen hat, anstatt sie wertend zu skandalisieren. Es drängt sich uns der Eindruck auf, dass bestimmte Personengruppen möglicherweise nicht erwünscht sind. Dieses Schüren von auf Gruppen bezogener Menschenfeindlichkeit wird sicher genau so auch bei der Bevölkerung ankommen und zu weiteren Vorurteilen führen, die es den Menschen von Anfang an unmöglich machen, hier jemals Fuß zu fassen.

Wir sind über die unprofessionelle Art und Weise des Journalismus der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender und Medien entsetzt. Anstatt mit den Menschen selbst zu sprechen und auch ihre eigene Perspektive darzustellen oder beratende Betroffenenvereine und Selbstorganisationen anzuhören, übernimmt das RBB-Team unkritisch einseitige Darstellungen, die Wasser auf Mühlen von Rassist*innen leiten.

Den öffentlich-rechtlichen Medien steht es nicht zu, Einschätzungen vorzunehmen, die Behörden obliegen und entsprechende eigene Beobachtungen als Ergebnisse zu präsentieren, die lediglich für ihre, uns längst bekannten, einseitig plakativ antiziganistische Haltung stehen.

Wir fragen uns wieso das LAF nicht zuerst innerhalb der eigenen Strukturen reflektiert, insbesondere wenn Menschen ankommen und auf einen bestimmten Mitarbeiter warten, wie im Beitrag berichtet wird, bevor die Betroffenen selbst für Missstände verantwortlich gemacht und öffentlich, aber auch insgesamt kollektiv politisch diskreditiert werden. Wir fordern die zuständigen Behörden auf, ein faires Verfahren durchzuführen und geltendes Recht, Gesetze und Vorgaben fair umzusetzen.

Viele der Geflüchteten aus Moldau gehören der Minderheit der Roma an. Sie sind in Moldawien struktureller, staatlich organisierter Ausgrenzung und Verfolgung ausgesetzt, extrem hoher Arbeits- und Obdachlosigkeit, Kinder werden von Bildung ausgeschlossen, die meisten Menschen sind ohne Krankenversicherung und haben keine Chance auf medizinisch notwendige Versorgung, einige berichten über den Abriss ihrer Häuser. Die Republik Moldau ist kein sicheres Herkunftsland für Roma und Rassismus ist ein berechtigter Fluchtgrund. Unzählige Roma wurden während der Pandemie in unerträgliche Zustände abgeschoben, in denen ihnen der Tod drohte.

Wir fordern Sie dazu auf, diese rassistische Berichterstattung unverzüglich einzustellen. Wir nehmen diese rassistische Hetze nicht mehr hin, die nach 1945 unaufhörlich weiter betrieben wurde und die sich letztlich auf all unsere Menschen negativ auswirkt und zu noch mehr Gewalt und Ausgrenzung führt, wie jüngst im Bericht der Unabhängigen Kommission Antiziganismus und im Bericht „Dosta“ von Amaro Foro beschrieben. Deutschland muss seiner Verantwortung aus dem Holocaust endlich gerecht werden und Roma gleiche Menschenrechte, wie allen anderen Menschen hier, zuzusichern. Die rassistischen Bilder von 1933 – 1945 sind längst überholt und doch werden sie durch genau diese Art der Berichterstattung im kollektiven Gedächtnis gehalten und haben real Gewalt zur Folge, was nicht zuletzt eine Messerattacke in einer Berliner Bahn vor wenigen Jahren bewies.

AG Roma Berlin

Die Arbeitsgemeinschaft Berliner Roma ist ein Zusammenschluss von Selbstorganisationen und engagierten Aktivist*innen.

Der Offene Brief kann im pdf-Format hier heruntergeladen werden.